Historisch betrachtet gehört das Gebiet des heutigen Baden-Württemberg zu den Flächen, die durch die Anwendung des Realerbteilungsrechts im 18. Jahrhundert in kleinste Flurstücke zersplittert wurden. Dabei wurde Grund und Boden eines Bauernhofs erbrechtlich so verteilt, dass jeder Nachkomme einen gleichgroßen Teil erhielt. Nach den folgenden Generationen waren die bäuerlichen Anwesen so klein geworden, dass sie eine Familie nicht mehr ernähren konnten. Später durchgeführte Flurbereinigungen konnten die Nachwirkungen dieses Erbrechts nicht ausreichend korrigieren. Obendrein trägt der hohe Zersiedlungsgrad im Süden Deutschlands zu schwierigen Hütebedingungen bei, da oft Bundesstraßen und Autobahnen gequert werden müssen, um von einer Hütefläche zur nächsten zu gelangen. Des Weiteren stellt die spezielle Topographie mit hügeligen, wenn nicht sogar bergigen Gebieten besondere Anforderungen an unsere Hunde.
Das Spektrum der Altdeutschen Hütehund-Schläge ist in Baden-Württemberg breit gestreut. Von Strobel über Fuchs bis Schafpudel findet sich annähernd jeder Schlag an der Herde. Dennoch zeigt sich in unseren Reihen eine deutliche Mehrzahl der Süddeutschen Schläge (Strobel, Süddeutsche Gelbbacke, Tiger, Süddeutscher Schwarzer) im Hüteeinsatz.
Die starken Persönlichkeiten der Süddeutschen Schläge sind für diese Aufgaben wie geschaffen. Sie arbeiten nach Bedarf druckvoll und eng an der Herde. Diese Eigenschaft kommt sowohl beim Wehren auf kleinen Weideflächen als auch beim Treiben der Herde über unwegsames Gelände zum Tragen. Ihr starkes Wesen lässt sie auch vor renitenten Schafen nicht verzweifeln. Ihre Fähigkeit selbstständig Aufgaben zu erkennen und verlässlich zu agieren, macht sie auch in Situationen in denen kein Blickkontakt zum Schäfer besteht, zu ehrlichen Arbeitern.
Die A•A•H Baden-Württemberg ist bestrebt durch strenge Zuchtvorgaben diese speziellen Vorzüge zu erhalten bzw. weiter zu verbessern, damit wir weiterhin mit unseren vierbeinigen Helfern unsere Aufgaben erfüllen können.
Im Rettungsdienst
Die Eigenschaften des Altdeutschen Hütehundes bieten optimale Voraussetzungen für die Ausbildung zum Rettungshund.
Sein ausgewogener Körperbau ermöglicht langes, ausdauerndes Traben, seine Wesensfestigkeit lässt ihn auch unter unangenehmen Umweltbedingungen arbeiten, sein großer Arbeitswille zeigt ihn unermüdlich in Einsätzen, ob bei Tag oder bei Nacht, seine Selbstständigkeit lässt ihn auch in großer Entfernung von seinem Hundeführer eigenständig umsichtige Sucharbeit leisten, seine Führigkeit und sein Vermögen, auch auf die kleinsten Zeichen seines Führers zu achten, macht ihn zum optimalen Teamarbeiter und seine Bellfreudigkeit lässt ihn die Anzeigeform des Verbellens, wenn er eine vermisste Person gefunden hat, leicht erlernen.
Bei der Ausbildung zum Rettungshund gilt es natürlich auch, den einerseits positiven Eigenschaften, doch auch rechtzeitig die „Zügel“ anzulegen: nur zu gerne selbstständig, muss dem Altdeutschen klar gemacht werden, wer der Chef des Einsatzes ist, damit gewährleistet ist, dass der Hund systematisch ein bestimmtes Gebiet durchstöbert und auch jederzeit zurückgerufen werden kann.
Da der Altdeutsche sehr schnell lernt, ist auch der Rettungshundeführer immer wieder gefordert, eindeutig und konsequent zu vermitteln, welches Verhalten das Richtige ist und jede Unkorrektheit sofort zu erkennen und zu unterbinden.
Ausgebildet werden die Hunde in den Sparten Flächensuche, Trümmersuche, Wasserortung und Mantrailing. Der Vollständigkeit halber sei noch die Lawinensuche erwähnt, die jedoch aufgrund begrenzter Übungs- und Trainingsmöglichkeiten in Deutschland nur auf regionaler Ebene ausgebildet wird.
Bei Einsätzen der Wasserortung handelt es sich meist um eine Leichensuche, die speziell trainiert werden muss. Die Gewinnung des entsprechenden realistischen Geruchsstoffes ist sehr schwierig, da die verfügbaren synthetischen Geruchsstoffe dem realen (Leichen-) Geruchsbild nur ähneln.
Die Leichensuche gehört, wie auch die Suche nach Drogen und Sprengstoff, in den Zuständigkeitsbereich der Polizei- und Zollbehörden. Die ehrenamtlich tätigen Rettungshundestaffeln setzen die Hunde zur Suche und Rettung von Lebenden ein.
Flächensuchhunde durchstreifen unter Leitung des Hundeführers große Flächen in Waldgebieten, an steilen Hängen, unwegsamen, dicht bewachsenen Waldstücken, um Menschen zu orten, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen in einer hilflosen Lage befinden. Findet der Hund den Menschen, zeigt er dies mit einer erlernten Anzeigeform (z. B. Bellen, dem Aufnehmen eines für diesen Zweck umgehängten Bringsels oder durch Anspringen des Hundeführers o. ä.) an.
Entscheidend für den Erfolg der Sucharbeit ist, dass der Hund die verschiedensten Geländestrukturen selbstständig erarbeitet, sich dabei aber auch von seinem Hundeführer unter optimaler Ausnutzung der Windverhältnisse führen lässt, damit die Geländeabschnitte flächendeckend durchsucht werden.
Trümmersuchhunde werden nach Schadenslagen durch Unglücke wie Erdbeben, Explosionen, Naturkatastrophen, Flugzeugabstürze, Brandeinwirkungen uvm. eingesetzt, bei denen zum Teil zahlreiche Gebäude eingestürzt sind und viele Menschen verschüttet sind und vermisst werden. Die Ausarbeitung der Witterung ist dabei sehr anspruchsvoll, gilt es doch für den Hund, dies unter besonders schwierigen und auch gefahrvollen Bedingungen zu leisten.
Von entscheidender Bedeutung ist auch hier die Führigkeit des Hundes über große Distanzen und bedingungsloser Gehorsam, damit er aus ihn selbstgefährdenden Situationen (Nachbeben/ plötzlicher Einsturz instabiler Gebäude) jederzeit abgerufen werden kann. Dennoch braucht es hier Hunde mit großer Selbstständigkeit und Wesensfestigkeit, die auch unter widrigen Bedingungen und weit ab vom Hundeführer konzentriert ihrem “Job“ nachgehen.
Beim Mantrailing sucht der Hund nach einer ganz bestimmten Person, deren Geruch er anhand eines Gegenstandes identifiziert und in unterschiedlichsten Gebieten, auch in stark frequentierten Stadtgebieten, verfolgt. Bei dieser sehr anspruchsvollen Suchart ist der Erfolg der Suche abhängig von Witterung, Untergrund, Wind und dem Alter der Spur und dem Vermögen des Hundeführers, das Ausdrucksverhalten seines Hundes richtig zu lesen. Auch unter den unterschiedlichsten Ablenkungen darf der Hund ausschließlich die angegebene Spur verfolgen, muss aber auch anzeigen, wenn die Spur zum Beispiel an einer Bushaltestelle oder an einem Bahnhof endet.